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Wut hat ein Imageproblem

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Heut ist einer dieser Tage. Ich bin wütend. Oder besser: da ist diese Wut, die gerne die Macht über meine Gedanken, meine Gefühle, meinen Körper, mein Leben übernehmen will. Denn wir sind nie nur das, was wir aktuell empfinden. Wütend? Du? Ja. Wütend. Ich.

Wut hat ein verdammt schlechtes Image. Und in unserer Happy Happy Einhorn Coaching Welt, sollte man doch keine Wut empfinden oder es zumindest nicht öffentlich bekannt geben, besonders wenn man in diesem Bereich arbeitet, sich so intensiv mit diesen Themen beschäftigt und anderen dabei helfen will, ein geiles, positives Leben zu führen. Aber für mich ist es genau dann ein eben solches, wenn alles sein darf. Alles! Denn dann ist es nicht nur geil und positiv, sondern vor allem echt. Also klar bin ich auch traurig, verzweifelt, eingeschüchtert, mutlos und ja, auch wütend. Natürlich! Ich bin ein Mensch! Aber sogenannte negative Emotionen werden eben häufig mit einem aufgesetzten Happy Face weggedrückt. Bitte lächeln! Ja, stimmt. Bitte lächeln. Aber erst, wenn du deinen Emotionen den Raum gegeben hast, sich zu zeigen. Und so knipse ich also heute das Licht an und räume die Bühne frei für meine Wut. Schon irgendwie mit der Ansage, dass es ein gewisses Zeitfenster für diese Performance gibt, aber doch generell erstmal alles sein darf.

Wenn so starke Emotionen auftauchen, ist es immer hilfreich einmal genau hinzuschauen, ob es einen Auslöser gibt. Einen, der für dich sichtbar ist. Denn Auslöser sind immer da, nur haben wir nicht immer direkt Zugang dazu. Und es wäre ja auch wirklich zu schön, wenn die Emotionen ein kleines Fan-Schildchen hochhalten würden, wo die Message klar und deutlich für alle Beteiligten zu lesen wäre à la: Marlene – ich will ein Kind von dir. Danke für deine Aufmerksamkeit. Ciao.

Meine Wut zeigt sich heute „ohne Grund“, wobei ich sie natürlich genau kenne. Aber ich setzte sie erstmal nicht auf die Psychocouch und versuche mit ihr zu arbeiten. Nein. Ich spiele einfach mal mit. Ich haue mir mit Kopfhörern wütende Musik um die Ohren und gehe auch körperlich in dieses Gefühl. Denn Wut hat so eine unglaubliche Energie. Und heimlich genieße ich es ein bisschen, weil ich es liebe, meinen Körper so energievoll zu spüren. Aber das sage ich der Wut nicht. Weil sie will ja jetzt wütend sein. Liebe kommt dann später wieder dran. Na gut.

Es gibt also verschiedene Wege, diesen gewaltigen Emotionen zu begegnen. Und mein Weg muss nicht dein Weg sein, mein Weg heute ist vielleicht auch nicht mein Weg morgen. Aber ich habe in diesen Momenten tiefstes Vertrauen, dass ich weiß, was in diesem Moment das Beste ist. Und das ist für mich der einzig richtige Weg. Mir zu erlauben, dass jeder Weg der Richtige ist, wenn ich genau dem Impuls folge, der sich mir zeigt. Ohne den Kopf einzuschalten. Denn Emotionen die sich zeigen, wollen nicht, dass man ihren Auftritt mit kopflastigen Spielregeln vermasselt. Zumindest meine wollen das nicht. Aber nicht immer muss mir dazu Kurt Cobain in die Ohren schreien. Manchmal will die Wut gar keine fetzige Party mit mir feiern. Denn alles was sie will ist Ruhe. Das spüre ich und versuche in einer Meditation alle anderen Reize und Emotionen auszuschalten, damit sie so den Raum bekommt, sich auszudrücken. Und auch das ist richtig toll. Aber auch das erstmal nur heimlich. Manchmal will sie auch beides. Erstmal komplett ausrasten, ohne Fragen zu beantworten, einfach erstmal nur da sein dürfen, Energie in den Körper schießen, mit mir tanzen. Nicht schwofen… Und wenn wir das eine Weile gemacht haben, wird sie ruhiger und erlaubt mir behutsam und verständnisvoll nachzufragen, was denn wohl los ist. Und dann bekomme ich immer eine Antwort. Wenn ich aber nicht auf sie höre, nicht mitgehe, zu früh versuche die Performance zu beenden bleibt nur ein Fragezeichen und ein: Nö, ich rede nicht mit dir. Du hörst mir ja eh nicht zu.

Ich weiß aber auch, wie beängstigend es sein kann, wenn so eine Emotionswelle durch den Körper rauscht. Das ist es aber nur, wenn man kein Vertrauen hat, dass man damit umgehen kann. Dass sich alles wieder normalisiert. Dass es vorbei geht. Entweder weil sich Emotionen zeigen, die man so noch nie gespürt hat oder weil man ganz genau weiß, was jetzt wieder auf einen zukommt. Und mein Verständnis ist riesengroß, wenn es darum geht Emotionen nicht zulassen und spüren zu wollen. Weil ja, es kann einem eine Scheißangst machen. Und genau das ist ja nun auch nicht gerade ein Gefühl, was es irgendwie erträglicher macht. Deshalb geht nur der Weg hindurch. Immer. Und mit jedem Mal wächst das Vertrauen. Und diesen Weg musst du übrigens nicht alleine gehen…

Und wenn ich mich also ganz drauf eingelassen habe, mit der Emotion mitgerollt bin ohne mich von ihr überrollen zu lassen, ist sie irgendwann zufrieden und schlummert friedlich ein. Der Dalai Lama soll gesagt haben: „Wo der Verstand aufhört, beginnt die Wut. Deshalb ist Wut ein Zeichen von Schwäche.“ Ich sagte ja, Wut hat ein Imageproblem. Natürlich geht es bei Aussagen wie diesen darum, diese Gefühle nicht festzuhalten, sie nicht gegen sich und andere zu richten, sich nicht von ihnen förmlich auffressen zu lassen. Und da gehe ich auch voll und ganz mit! Aber das geschieht doch eben nur, wenn wir sie nicht zulassen. Also ich will mich hier ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber wenn ich jetzt den Zusammenhang dieses Zitats und den Hintergrund dieses Menschen nicht kennen würde und wütend wäre, WAS ICH JA BIN, dann ist meine Antwort darauf: Gehts noch? Du bist ein Zeichen von Schwäche! Denn vielleicht hilft es einfach nicht, den Menschen, die starke Emotionen wie Wut empfinden, auch mit der anderen Faust noch in die Magengrube zu schlagen, weil sie nun auch noch schwach sind. Vielleicht sollte man sie mal in den Arm nehmen und ihnen zuhören, weil es da ja offensichtlich etwas gibt, was raus will.

Und genauso nehme ich jetzt meine Wut in den Arm. Denn getanzt haben wir genug, schlimme Wörter gesagt auch, Tee getrunken und darüber gesprochen, was los ist, auch. Sie ist zufrieden, ich bin erschöpft aber befreit und glücklich. Und genau diesem Gefühl gilt es jetzt Raum zu geben, denn hach… da gibt es ja noch so viel mehr.


Also… lass es zu. Lass es raus. Schade bitte niemandem. 

Deine Marlene

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2 Kommentare

  1. Liebe Marlene,

    ich finde es toll, dass du dieses Thema aufgreifst. Ich selbst bin der Überzeugung, dass alle menschlichen Gefühle ihren Grund und ihre Berechtigung haben und es nicht wert sind, unterdrückt zu werden. Insbesondere die Wut und die Enttäuschung sind zwei Emotionen, die gern versteckt und überspielt werden. Eine Ursache dafür sehe ich neben der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz dieser Gefühle aber auch in der fehlenden Fähigkeit, angemessen mit diesen Gefühlen umzugehen und diese anzunehmen. Tatsächlich ist es nicht bei wenigen (insbesondere) Frauen so, dass sie anfangen zu weinen, wenn sie wütend sind, weil sie nicht gelernt haben, mit dieser Emotion umzugehen. Ich kann mich noch genau an ein Zitat von Margarete Stokowski erinnern. Sie schrieb, dass die Wut eines der wichtigsten Dinge ist, die Mädchen beigebracht (bzw. nicht aberzogen) werden muss.

    Liebe Grüße
    Cora

    • Marlene

      Hi Cora, ja, es geht tatsächlich um den Umgang mit den „Dingen“. Wie doch eigentlich in jeder Situation des Lebens. Wir müssen nur verstehen und wieder lernen, dass wir die Kontrolle haben, auch wenn wir uns manchmal komplett überrollt und machtlos fühlen.
      Frauen – Wut: Das ist ein sehr spannender Gedanke, vielen Dank, dass du das mit uns teilst.

      Alles Liebe und „Auf die Gefühle“
      Marlene

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