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Rücksichtslosigkeit – du bist kein Opfer

Rücksichtslosigkeit

Ich habe ein wenig Sorge, dass ich bei diesem Einstieg in den Artikel den Eindruck einer spießigen, frustrierten, Rasenkanten-mit-Nagelschere-schneidenen, zum-Lachen-in-den-Keller-gehenden Furie erwecke. Aber das Risiko gehe ich ein und ehrlich gesagt amüsiert mich dieses Bild. Vor allem aber, weil ich das alles überhaupt nicht bin. 


Der Feind an meinem Fenster


Es ist Sommer, meine Fenster neben meinem Schreibtisch sind immer offen. So auch die meiner Nachbarn und der Fahrradwerkstatt zwei Meter unter meinem Fenster. Ihr ahnt es… Vier junge, fetzige Menschen hören junge, fetzige Musik bei der Arbeit, in einer Lautstärke für junge, fetzige Ohren. Von morgens bis zum FeierABEND. Montag bis Samstag. Versteh ich das? Klar. Nervt es trotzdem: JA! Sehr sogar. 

 

Rücksichtnahme ist cool

Ich bin extrem darauf bedacht, niemandem durch mein Verhalten auf die Nerven zu gehen oder anderen zu schaden. Mein Gerechtigkeitsempfinden ist enorm und respektvolles Verhalten für mich eine Grundregel. Meine letzte Erkältung habe ich durchgehend UNTER der Bettdecke verbracht, um mein Husten und Niesen auf Zimmerlautstärke abzudämpfen. Ich weiß, ich weiß… Diese extreme Rücksichtnahme erwarte ich von niemandem, aber so ein klein bisschen nach rechts und links schauen, fänd ich großartig und wird auch mit tosendem Applaus honoriert. Jeder sollte sich frei fühlen, das machen, worauf er Lust hat – unbedingt. So lebe ich auch. Aber in meiner perfekten Welt ist es keine Einschränkung sich rücksichtsvoll zu verhalten, sondern etwas, das uns näher zusammenbringt, uns alle positiver stimmt und im Grunde noch viel freier macht.

 

Du bist kein Opfer, du bist frei

Meine kleine Fahrradgang-Geschichte ist nur ein Beispiel für die vielen, vielen Situationen, in denen wir durch das Verhalten anderer willentlich oder ganz unbeabsichtigt beeinflusst und gestört werden. Das ist so. Ob man sich nun drüber aufregt, sich beschwert, es sich anders wünscht oder gar nicht bemerkt. Wir haben alle unterschiedliche Verhaltensweisen, Werte, Stresstoleranzen, Empfindlichkeiten, Eigenarten… the List goes on. Und das auf engstem Raum. Da ist es doch nur normal, dass mal jemand in deinen Tanzbereich kommt.

Das heisst aber nicht, dass wir zu einer frustrierten Furie werden müssen, denn du hast immer eine Wahl.

Die Opferrolle anzunehmen ist der einfachste Weg. Den anderen die Schuld für das eigene Empfinden zu geben, immer die schnellste Ausrede.

Es ist aber nicht mein Weg und nicht meine Ausrede. Ich möchte mich nicht ständig über das Verhalten anderer ärgern und meine kostbare Energie verschwenden. Dafür ist mir mein Wohlbefinden zu wichtig und rücksichtslose Menschen zu unwichtig. In die selbstgewählte Opferrolle kann man ja meinetwegen mal kurz schlüpfen, manchmal tut es ja auch gut, wütend aufzustampfen und zehn Runden auf dem wie-kann-man-denn-nur-Gedankenkarussell zu fahren bis einem schlecht wird. Aber spätestens dann sollten wir uns wieder klar machen, dass wir selbst für unser Empfinden verantwortlich sind und wir eine Wahl haben, wie wir mit Situationen umgehen. 



 

Triff eine Entscheidung

Es hilft wirklich, sich bewusst zu machen, welche vielen aktiven Reaktionsmöglichkeiten du hast. Je stärker du in deiner Verärgerung gefangen bist, desto länger sollte die Liste sein. Realistisch oder nicht ist dabei unwichtig. Mindestens eine Möglichkeit gibt es immer, auch wenn man in manchen Situationen genauer hinschauen muss.

Spielen wir einmal mit meinem Beispiel:

1. Ich kann das Fenster schließen
2. Ich kann in einen anderen Raum gehen
3. Ich kann mir Kopfhörer aufsetzen
4. Ich kann runtergehen und sie bitten, die Musik etwas leiser zu drehen
5. Ich kann mit ihnen eine Vereinbarung treffen, dass es zwischendurch vielleicht Phasen ohne Musik gibt
6. Ich kann meine Arbeit später weitermachen
7. Ich kann sie fragen, ob ich bei ihnen auch mal MEINE Musik auflegen kann
8. Ich kann die Polizei anrufen
9. Ich kann einen anonymen Bitte-habt-Verständnis-Brief schreiben
10. Ich kann aufstehen und die Beats für eine kleine Tanzeinlage nutzen – Bewegung tut gut

Vor allem aber, und das ist die Möglichkeit, die du IMMER hast:
Ich kann ich mich locker machen, die Dinge so annehmen, wie sie JETZT sind und mit meiner Reaktion eine Entscheidung FÜR mich und nicht GEGEN andere treffen.

Versuch es doch beim nächsten Mal. Gelegenheiten dazu gibt es bestimmt. Übrigens: während ich hier meine Liste geschrieben habe, wurde die Musik immer leiser und ist nun schon seit einer Stunde aus. Halleluja. Danke. Vielleicht geh ich gleich mal runter und sag es ihnen. Nicht dass ich von der Musik genervt bin, sondern, dass ich sehr dankbar für den kleinen Moment der Stille bin. Einfach mal die Perspektive wechseln! Und jetzt gönn ich ihnen auch schon fast wieder drei Stunden Trap. 

 

Alles Liebe
Deine Marlene

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