Brenè Brown sagt in ihrem berühmten TED Talk:
The two most powerful words, when we are in struggle: me too.
Ein starker Satz. So zumindest hab ich ihn bisher immer empfunden und auch schon mehrfach zitiert.
Allerdings auch TWO WORDS, die du in einer Psychotherapie in der Regel nicht hören wirst. Ist das ein Fehler? Kann nicht genau das entlasten? Eine verbale Umarmung. Ein Angebot, nicht alleine im Regen stehen zu müssen. Oder fühle ich mich dann der mir versprochenen Aufmerksamkeit beraubt?
Und wie ist es in einer Freundschaft? In einer Beziehung? Gelten da andere Regeln, nur weil ich nicht dafür bezahle, dass es jetzt mal eine Stunde NUR um mich und meine Sorgen geht? Ist es da erlaubt, die Probleme des anderen mit meinen zu relativieren?
Hier also einige Überlegungen…
Möglicherweise hast du folgende Situation schon einmal erlebt:
Dir geht es nicht gut. Dir liegt was auf der Seele. Doch: ein Freund, ein guter Freund, das ist das beste was es gibt auf der Welt. Vertrauensvoll wendest du dich an einen diesen, um davon zu erzählen. (Was für einige ein großer Schritt ist, für andere jetzt nicht so, aber doch in den meisten Fällen eine gute Idee) Weißt du, mir gehts heut gar nicht gut. Noch bevor die erste Träne trocknen kann, übernimmt dein Gegenüber die Bühne: Ja, ach, ich versteh dich. Mir gehts genauso. Weißt du was mir passiert ist? Also….
Stunden später. Immer noch traurig. Noch dazu ernüchtert. Enttäuscht. Und mit einem zusätzlichen Päckchen Sorgen beladen.
Me too… Also nochmal, hilft das?
JA
Ja, es kann entlasten. Man fühlt sich nicht außerirdisch und falsch. Man fühlt sich verstanden. Ich bin nicht die einzige, der es so geht. Geteiltes Leid ist halbes Leid! Macht es aber die Situation weniger schlimm, wenn ich weiß, dass du das auch schon mal erlebt hast?
Klar möchte man auch verstanden werden. Nicht umsonst gibt es zu jedem nur erdenklichen Thema Foren und Gruppen. Weil es hilft. Weil es hilft?
Es kommt sicher auch darauf an, worum es geht: Hat der Freund*in mal wieder nicht alle Latten am Zaun, kann es manchmal hilfreich sein, wenn man sich verbündet, gemeinsam stärkt und wieder angreift. Du, mein Typ hat mal wieder…. oh, man und weißt du was meiner wieder… Sich zusammen aufregen klappt wunderbar und darf auch MAL sein.
Was aber, wenn du wirklich verletzt bist. Oder traurig. Oder enttäuscht. Oder ganz und gar kaputt?
NEIN
Es schmälert den eigenen Leidensdruck!
Ey, falsche Kategorie. Das ist doch definitiv ein Pro!
Nein. Denn das finden eben nur deine inneren Kritiker, die auch mit am Tisch sitzen. Siehst du, ihr gehts auch so, jetzt mach nicht so nen Larry. Das: hab ich auch schon erlebt, schmälert die Wichtigkeit des Problems. Aber doch nur theoretisch und niemals gefühlt.
Es lenkt den Lichtkegel der Aufmerksamkeit auf mein Gegenüber. Auf den, den ich doch grad so dringend brauche. Und zwar nicht seine Story. Seine Ohren.
Man fragt sich: also reagiere ich hier also komplett über? oder: warum hört mir eigentlich nie jemand zu, warum bin ich nicht auch mal wichtig genug, dass mir jemand zuhört und volle Aufmerksamkeit schenkt? Beide Fragen helfen nicht.
Eine gute Chance für einen Konkurrenzkampf der Traurigkeiten.
Na, wer hat denn nun das Schlimmere erlebt. Wer bekommt die meiste Sprechzeit.
Und achso, weil du damit umgehen konntest, muss ich das jetzt auch sofort?
Keine böse Absicht
Oft spricht sicher nicht die Ichsucht aus den Menschen, sondern vielleicht eher die eigene Unsicherheit. Die Hilflosigkeit. Sie wollen helfen, wissen aber nicht wie. Statt bei dir zu bleiben, schießt dann ein Signal ABLENKEN in den Kopf und sie reden von sich, mit der Hoffnung, dass du dann deine Sorgen vergisst. Dies ist oft eine typische Reaktion von Menschen, die schwer ertragen können, wenn es dem anderen schlecht geht. Besonders wenn dieser Mensch ihnen am Herzen liegt. Total verständlich,
aber besonders dann heisst es:
Aushalten… das Leid aushalten. Gemeinsam aushalten, gemeinsam tragen. Den Moment aushalten, wenn es grad einfach nichts zu sagen gibt und so mit der Stille Verständnis und Nähe schenken. Auch die Pausen aushalten. Nicht jede Pause, die dein Gegenüber macht, ist dein Startschuss nun deine klar, noch viel schlimmere Leidensgeschichte auszupacken. Auch nicht für Einzelheiten der letzten fulminanten Nacht mit Daniel*Klara*beiden, mit dem unbewussten Plan: Denk einfach an was Schönes, dann wird´s schon wieder, auch wenn ich was Schönes erlebt habe… Ein Segen, wenn´s so einfach wär.
Natürlich gibt es auch die, die es nicht (lange) aushalten können, wenn sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Und es gibt schlicht und einfach eben auch verdammt schlechte Zuhörer. Vielleicht muss man aber auch einfach nicht alles mit jedem besprechen.
Wenn du nun aber genau mit dieser Person über deine Situation sprechen möchtest (weil sie ein gutes Herz hat aber eben in Sachen ZUHÖREN noch ausbaufähig), dann kannst du aktiv dazu beitragen, dass du dich in der Kommunikation wohl und verstanden fühlst. Denk noch einmal an die mögliche Unsicherheit oder schlichte Überforderung dieser Person.
Was willst du? Was brauchst du?
Ich brauch mal deine Ohren! Ich muss mal was loswerden! Ich brauche eine Umarmung! Ich brauch mal deine Meinung! Bitte sag, dass es dir auch mal so ging und dass es besser wird!
Manchmal weiß man auch einfach nicht, was man braucht. Und das ist auch vollkommen ok so. Wenn dich ein Mensch gut kennt, brauchst du das auch nicht, denn er weiß es. Wenn du aber merkst, dass dir die gesammelten Werke der letzten Jahre deines Gesprächspartners nicht helfen, hak ein: Zu wenig Ohr. Mehr Ohr bitte!
Wie so oft, geht es auch bei einem ME TOO ums Timing.
Es gilt: erstmal aussprechen lassen. Nicht sofort einhaken mit ich kenn das. Auch wenn du das dringende Bedürfnis hast, sofort zu reagieren und den Schmerz zu lindern. Warte ab! Heisst natürlich nicht, dass du ein Nickerchen halten sollst.
Du kannst dem anderen auch ohne es mit Worten zu sagen, zeigen, dass du ihm zuhörst. Dass nur sie*er gerade wichtig ist. Halte den Blickkontakt, wende dich körperlich zu. Es hilft, wenn wir eben nicht nur das hören, was der andere sagt, sondern auch das, was seine Seele mit seinem Körper sagt.
Zuhören und zufühlen.
Wenn du dir dann erfolgreich eine halbe Stunde auf die Zunge gebissen hast aber nun doch nicht mehr an dich halten kannst, weil deine eigenen Erfahrungen gerade soooo gut zum Thema passen und du sie nur loswerden willst, um den Schmerz deines Gegenübers zu mildern, frag nach: Möchtest du, dass ich dir mal meine Geschichte erzähle? Vielleicht hilft es dir! Hilft dir das? Und ja, natürlich kann das helfen. Wenn aber in diesem Moment immernoch klar ist: DU bist jetzt wichtig! Ich höre und ich fühle. Mit dir. Für dich.
Was einem hilft und was nicht so sehr, ist natürlich sehr individuell. Was aber doch sicher jedem ein gutes Gefühl gibt, ist, wenn man das loswerden darf, was einem auf der Seele liegt. Das Gefühl, dass genau das und nur das gerade den Raum bekommt, den es braucht. Den du brauchst.
Denn schließlich heisst es:
Me too. (PUNKT)
Nicht:
Me too, (KOMMA) also bei mir ist das ja grad so…
Ich wünsche dir von Herzen, dass du einen Menschen an deiner Seite hast, der dir Verständnis und Liebe schenkt. Aber eben auch einfach mal die Klappe halten kann. Und das ganz kostenlos.
Ein Tipp: ein Danke macht sich trotzdem immer gut!
Deine Marlene
♥
Mehr…
Flexibilität in Körper und Geist – ein Weg mit Krisen umzugehen
Du MUSST nichts. Du hast eine Wahl!
Danke deinem Körper! Er hat es verdient
Ich danke dir für die Erfahrung die mit uns allen teilst. Es ist sehr interessant und ich kann dir zum Großteil zustimmen. Ohne Werbung machen zu wollen, aber eine Empfehlung aussprechen zu dürfen, denn mir hilft das Buch von Thich Nhat Hanh mit dem Titel achtsam sprechen – achtsam zuhören. Es geht in erster Linie erstmal um einen selbst, denn wenn wir mit uns selbst Mitgefühl, Achtsamkeit und Liebe entwickeln und uns diese auch geben, dann können wir erst wirklich dem anderen Menschen zuhören. An genau diesem Punkt, wenn unser Gegenüber nicht zuhört, ist er selbst wahrscheinlich von seinem Leid so sehr geplagt, dass er gar nicht zuhören kann. Wie ein Unteltitel lautet „Keine böse Absicht“ trifft genau zu, dein Gegenüber kann es nicht. Sei ihm nicht böse, er ist gerade in diesem Moment nicht der Mensch.
Ganz Liebe Grüße und ich freue mich auf deinen nächsten Beitrag.
Hi Daniel, danke für deine lieben Worte. Das Buch schau ich mir an, Thich Nhat Hanh bringt wunderbare Gedankenanstöße.
Freue mich, wenn du mal wieder vorbeischaust.
Alles liebe
Marlene
Interessanter Blog mit tollen Gedanken, sehr spannend!
LG Anne