Ist jetzt eigentlich jeder hochsensibel oder was?
So ist es doch eigentlich immer. Wenn man sich mit einem Thema zum ersten Mal beschäftigt, recherchiert und umhört, stellt man fest, dass diese spannende neue Welt, die sich einem eröffnet hat, für viele gar nicht mehr neu ist. Man ist nicht die Erste, die ihre Expeditionsfußspuren hinterlässt. Es gab immer schon jemanden vor dir. Und oft ist das auch gut so!
Als eine befreundete Psychotherapeutin mich darauf aufmerksam machte, dass es 1. so etwas wie Hochsensibilität gibt und sie 2. glaubt, dass ich eben genau damit gesegnet sei (gute Psychotherapeutin eben) war ich so gespannt, was sich da für eine Welt für mich öffnet. Warum, wieso und überhaupt ich so fühle, wie ich fühle. Waow, das war echt ein bewegender Moment.
Also gings los, erstmal „googlen“… auf den ersten Blick wurde klar: ich bin da nicht die Einzige. Das ist großartig! Oder?
„echte“ und „falsche“ Hochsensible
Ich habe viel in Foren gelesen. Natürlich speziell für Hochsensible Menschen – macht ja irgendwie auch Sinn. Dort stieß ich auf Kommentare, in denen diskutiert wurde, ob jetzt jemand (unter den Kommentierenden) wirklich hochsensibel sei oder nicht.
Aha, es gibt also die „echten“ Hochsensiblen und die „falschen“? Soso, weiß grad nicht, ob ich das so cool finde…
Doch ein paar Tage später ertappte ich mich: In den Kommentaren zu einer Buchvorstellung über Hochsensibilität las ich folgendes (sinngemäß): Ich bin so froh, endlich weiß ich, dass ich hochsensibel bin. Denn jedes mal, wenn mein Kollege am Nachbarschreibtisch einen Apfel isst, könnte ich die Wände hochgehen.
Mhh…, also wenn das alles ist… reicht das schon um hochsensibel zu sein?
Ich habe mich tatsächlich ein bißchen geärgert.
Ist doch wirklich gemein für diejenigen, die sich tagtäglich enorm anstrengen müssen, um ihren Alltag mit Hochsensibilität zu meistern.
Heute denk ich anders! Ein kleiner trotziger Moment, mehr nicht!
Aber woher kommen solche Gedanken?
Wir sind der Club der wahren Hochsensiblen und du kommst hier nicht rein! Jedenfalls nicht mit so billigen Argumenten…
„Ich will ernst genommen werden“
Möglicherweise liegt es daran, dass man so froh ist, endlich eine Erklärung für das zu haben, was einen schon so lange begleitet. Verhaltensweisen und Gefühle, die vorher bestenfalls belächelt wurden, haben nun einen Namen und damit auch eine Berechtigung bekommen.
Man will ernst genommen werden. Und dabei ist es nunmal wichtig, dass DER NAME nicht missbraucht und dadurch verharmlost wird.
Ein Beispiel ist vielleicht auch der Umgang mit dem Wort Depression. Hat nicht irgendwie jeder und sein Hund schonmal eine Depression gehabt? Man kann sich nur ansatzweise vorstellen, wie es den Menschen geht, die (tatsächlich) an einer Depression leiden, wenn eine Erkrankung (besonders in den Medien) so durch den Kakao gezogen wird.
„Ich will etwas Besonderes sein“
Oder liegt es möglicherweise daran, dass man etwas Besonderes sein will? Wenn es einem schon schlecht geht, dann gehört man wenigstens zu einem exklusiven Kreis. Und gold bestäubt, wird die Hochsensibilität zu einer Gabe, für die man langsam auch Dankbarkeit empfinden kann.
„Meine Hochsensibilität gehört mir“
Oder ist es vielleicht ein eher kindlicher Gedanke? Nimm mir meine Hochsensibilität nicht weg! Ich spüre schließlich was, was du nicht spürst!
Ich weiß es nicht…
Denn trotzdem sucht man den Halt in der Gruppe. Weil es eben doch hilft, zu wissen, dass man nicht alleine ist. Das andere es auch schwer haben. Oder um sich gemeinsam an diesem intensiven Erleben zu erfreuen.
Wir können doch nur voneinander lernen!! Ist es da nicht egal, ob nun jemand super-mega-krass-turbo hochsensibel ist oder eben nur einfach bestimmte Dinge besonders intensiv spürt?
Ich hab es hier schon einmal gesagt: ich mag diese Grüppchenbildung nicht.
Na klar, es macht schon Sinn, dass man weiß worum es geht, wenn man einen Beitrag in einem Forum schreibt. Aber ganz ehrlich: es gibt noch kein wissenschaftlich anerkanntes Diagnoseverfahren für Hochsensibilität. Man kann es nur nach dem eigenen Empfinden beurteilen. Und was haben wir für ein Recht, dies für andere Menschen zu tun? Keins, jawohl.
Renate hat´s gern dunkel
Das Schöne ist doch, es geht hier um Menschen und menschliche Empfindungen. Und die sind eben sehr unterschiedlich und nicht immer mit Worten zu beschreiben. Selbst Hochsensible können ganz verschieden fühlen. Sicher fühlen sie immer fein, aber nicht immer gleich. Renate empfindet die nächtlichen Straßengeräusche vielleicht als beruhigend, während Hans Peter senkrecht im Bett sitzt. Dafür macht ihm aber helles Licht kaum etwas aus, Renate hat aber genau damit starke Probleme. (Alle Renates und Hans Peters – sorry!)
Sehen wir es positiv: Je mehr das Thema in die Öffentlichkeit gelangt, umso besser. Es wird geforscht, es gibt immer mehr Erkenntnisse und damit sicherlich auch immer mehr Verständnis in unserer Umwelt.
Und wenn die ganze Welt irgendwann Hochsensibel ist – wunderbar! Dann würde sicher einiges anders laufen.
Und ganz ehrlich: könntet ihr nicht auch die Wände hochgehen, wenn jemand neben euch an einem Apfel kaut???
♥
Marlene,
deine Texte gefallen mir sehr gut …
Interessant, dass du dieses Thema ansprichst. Ich muss gestehen, dass ich gerne „die Echten“ von „den Unechten“ Hochsensiblen getrennt hätte. Mir ist natürlich bewußt, das es niemals möglich sein wird. Selbst wenn es eine offizielle Diagnose gäbe, würden sich Menschen ohne Diagnose die nichts von Diagnosen halten immer noch in Foren einfinden. Es ist ihr gutes Recht! Ich habe sogar eine Art Diagnose einer Psychiaterin. Es hilft mir für mein Selbstverständnis.
Der Wunsch sich zu separieren rührt bei mir daher, dass ich mich nicht durch die Vielzahl von Beiträgen suchen möchte, die meiner Meinung nach anderer Natur sind als die HS. Mir ist auch da bewußt, dass es eine Illusion ist. Meine persönliche HS unterscheidet sich von der der Anderen, es gibt ja nicht die eine Art des HS-Seins. Ich wünsche mir den Austausch mit Meinesgleichen, da muss man suchen. Liebe Grüße Anja
Hallo liebe Anja,
vielen Dank für dein Feedback!
Toll, dass du deine Meinung hier bei mir teilst. Genau das macht es ja spannend! Und ich freue mich, wenn mein Blog auch eine Plattform sein kann, um sich auszutauschen.
Ich verstehe deine Meinung! Und ganz sicher geht es vielen so, wie dir. Ich übe mich gerade darin, Verständnis aufzubringen, auch wenn der erste Gedanke ist: Man, wenn ich deine Probleme hätte, wär ich so glücklich! Aber was für den einen eine Mücke ist, ist für den anderen nunmal ein Elefant oder sogar eine ganze Herde!
Definitiv ein spannendes Thema – über einen Austausch freue mich total!
Ganz herzliche Grüße aus Berlin
Marlene
Hallo Marlene,
ich finde es schön wie du mit deiner lockeren Art die Dinge so präzise auf den Punkt bringst! Als ich das erste Mal online mit anderen HS und deren Gedanken und Gefühlen konfrontiert wurde, habe ich mich bei ähnlichen Überlegungen erwischt, die sich mit deinen Thesen gut erklären lassen.
Ehrlich gesagt fände ich auch die Frage sehr spannend, warum eventuell manche Menschen gerne ein HS wären auch wenn sie es nicht sind? Schließlich kann man Hochsensibilität zwar als Gabe bezeichnen, in unserer heutigen leistungsorientierten und oft rücksichtslosen Gesellschaft (hier ließen sich noch mehr Aspekte nennen) wird es allerdings vermutlich eher als ein Nachteil und Hindernis betrachtet.
Ich freue mich auf weitere interessante Artikel!
Gruß, Karla
Hallo liebe Karla,
lieben Dank für dein schönes Feedback!
Und ja, die Frage warum einige vielleicht gern HS wären, was sie sich davon versprechen, was sie vielleicht sonst vermissen etc. ist tatsächlich sehr spannend. Ich werde mir dazu mal Gedanken machen und ein bisschen forschen.
Generell bin ich für Tipps und Anregungen immer offen!
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag
Herzlich, Marlene
So wie ich es verstehe gibt es ein breites Spektrum das sich zwischen „unsensibel“ und „hochsensibel“ erstreckt. Es gibt dann natürlich Menschen die sind „etwas hochsensibel“ und welche die „extrem hochsensibel“ sind. Bei den Tests die man machen kann, gilt man deswegen ab einer bestimmten Punktzahl als hochsensibel, auch wenn es hier verschiedene Grade gibt. Ich finde nicht das man Jemanden der sich als Hochsensibel einschätzt grundsätzlich davon ausschließen sollte, nur weil er nicht extrem hochsensibel scheint. Sowas ist 1. subjektiv und deswegen werden wir es nie vergleichen können und 2. ist ein Onlinebeitrag niemals ein genaues Abbild einer Gefühlssituation eines Menschen und deswegen kann man dass nicht aus dieser Grundlage basierend einschätzen. Offen sein 😀 Das einzige was wir wissen müssen, ist das die Person Austauschbedarf hat, so wie wir auch. „Echt“ oder „Falsch“ gibts meiner Meinung nach nicht, es gibt verschiedene Grade der Sensibiliät.
Gerne möchte ich euch meine eigene Sichtweise und Erfahrung mitteilen. Ich habe immer wieder über Hochsensibilität gehört , aber nie nachgelesen, was eigentlich darunter verstanden wird. Nun bin ich doch gwunderig geworden und habe mal ein bisschen nachgeforscht. Aufgrund der Selbsteinschätzungsliste muss ich sehr Hochsensibel sein!!
Wir war ich doch erstaunt, dass da immer wieder von Symptomen und Verhaltensweisen und Gefühlen gesprochen wird, die ich alle von der pränatalen Körpertherapeutischen Arbeit her kenne. Ich meine, es ist gut sich einmal damit auseinanderzusetzen. Mein Leben jedenfalls hat sich kontiunierlich geändert, nachdem ich angefangen habe meine Primärverletzungen (ERfahrungen schon vor der Geburt) aufzuarbeiten. Ich bin immer noch gefühlsvoll, vielleicht auf der Herzebene noch gefühlsvoller geworden, aber muss immer weniger darunter leiden.
Hochsensibel oder nicht, wir alle sind verletzte Seelen und auf diese Welt gekommen um Heilung zu erfahren. Ich habe nicht gerne Diagnosen, aber gerne Wege um freier und freudiger zu werden. Ich muss auch keine Titel haben um willkommen und geliebt zu sein.
mit Herzgruess
Helena
Liebe Helena,
danke, für deinen Kommentar. Was du schreibst klingt sehr spannend und sicherlich mal ein bisschen nachforschen wert. Schön, dass du dir deine gefühlvolle Seite bewahrst. Ich möchte mich wie gesagt auch nicht auf die Hochsensibilität einschränken. Auch nicht mit diesem Blog. Das Wissen darum, sollte dazu dienen sich selbst besser einzuordnen und vielleicht auch Dinge mit anderen Augen zu betrachten. Aber es soll niemanden ausschließen. Und respektvoll und liebevoll sollten wir alle miteinander umgehen – hochsensibel oder nicht!
Alles liebe für dich, ich freu mich mal wieder was von dir zu lesen
Marlene
😉 wie bei allen themen…ist das alles gar nicht so leicht.
also ich würde sagen (nach allem was ich bisher gelesen habe in diversen foren, büchern,..), dass ich heute mir sagen traue, ich bin ein sensibler mensch. oder ein sehr empfindsamer mensch. wenn man in der selbstreflexion jetzt nicht ganz hundsmiserabel ist, dann glaub ich, kommt man schon drauf, wie´s einem so geht in dieser hinsicht.
wie das genau heißt ist ja eigentlich egal.
ich muß aber sagen, dass ich es absolut verstehe, wenn jemand, der extrem sensibel ist (sehr licht,lärm,..empfindlich – ich meine so, dass es fast nicht möglich ist auf einer straße mit verkehrslärm zb zu gehen) oder noch viel extremer (aura, farbensehen und co)… oder sagen wir – jemand, der sehr !!! belastet ist durch diese sensibilität in seinem leben – dass so jemand quasi genervt ist, wenn ich ankomme und sage ich bin auch sensibel, weil mir konzerte zu laut sind, auf demos zu viele menschen, dass ich freunde lieber einzeln statt im rudel treffe, dass ich so gut rieche, dass mich viele freunde schon für blöd halten, dass ich bei tierleid tagelang heulen könnt usw…. – das versteh ich wirklich. denn da liegt ja nochmal eine kleine welt dazwischen.
aber da muß man halt behutsam umgehen. …wie immer gilt: jeder hat sein päckchen zu tregen…und messen sollten wir uns in solchen dingen nun echt nicht. damit schaden wir uns nur wieder selbst.
Liebe Mauz,
genau, mit einen „Wettbewerb“ a là: „Mir gehts aber schlechter als dir“ ist nun wirklich keinem geholfen.
Und wenn das so ist, toll – dann ja einer den anderen stützen! Positive Vibes!
Sonnengrüße
Marlene
ich hab die lieben grüße vergessen 😉